Antifaschistischer Jahresbericht 2022 (1): Ganderkesee

Für extrem rechten Aktivitäten in Ganderkesee hat es in den letzten Jahren in antifaschistischen Kreisen mehr Aufmerksamkeit gegeben. Daran möchten wir mir diesem Text anknüpfen und zum einen neue Erkenntnisse zu den bekannten rechten Strukturen, die beispielsweise in der NIKA-Broschüre Ganderkesee. Eine Gemeinde mit rechter Kontinuität beschrieben worden sind, vorlegen sowie zum anderen gänzlich neue Komplexe beschreiben.

Zu Beginn unserer Arbeit im Oktober 2021 beschäftigten wir uns mit dem unaufgeklärten Brandanschlag auf das migrantisch geführte Restaurant „Don Gantero“ in Ganderkesee am 14.10.2020, über ein Jahr später scheint man in der Dominanzgesellschaft über die Hintergründe der Tat weniger denn je etwas wissen zu wollen (die Ermittlungen der Polizei sind schließlich eingestellt worden), stattdessen wird die volle Aufmerksamkeit darauf gerichtet, was nun aus dem ehenmalige Restaurant wird. Es ist symptomatisch, dass in vielen Medienberichten (Beispiele: Berichte Delmenhorster Kreisblatt vom 24.08.2022 oder dem Weser-Kurier vom 08.12.2022) das Wording der Gemeinde Ganderkesee übernommen und lediglich von einem nicht näher definierten „Brand“ gesprochen wird. Aktuell wird das ehemaligen Bahnhofsgebäude saniert, ein*e Nachmieter*in ist aber auch im mittlerweile dritten Anlauf noch nicht gefunden worden.

Dabei sollte sich in Erinnerung gerufen werden, was in den Medienberichten nicht vorkommt: dass die ehemaligen Mieter*innen, die Betroffenen des Brandanschlag, Interesse an einer Fortführung ihres Restaurants gezeigt hatten. Letztlich muss man feststellen, dass die Täter*innen mit ihrem Anschlag durch die Vertreibung der Betroffenen erfolgreich gewesen sind. Was außerdem aus dem Fokus geraten ist, dass die Tat wahrscheinlich im Kontext einer Serie von rassistischen Brandanschlägen in der Region zu werten ist, was in unserem Demo-Aufruf zur Antifa-Demo in Ganderkesee am 16.10.2021 nachzulesen ist. Nicht erwähnt hatten wir damals den Brandanschlag auf das Erstaufnahmezentrum Blankenburg bei Oldenburg in der Nacht 28./29.05.2021. Auch in diesem Fall wurden die Ermittlungen eingestellt.

Auf diese sogenannten „Ermöglichungsbedingungen rechter Gewalt“ machten Heike Kleffner vom „Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ (VBRG e.V.) sowie Robert Andreasch von der „Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München“ (a.i.d.a) auf einer Veranstaltung des NSU-Tribunals in Nürnberg aufmerksam, wie die Initiative „NSU-Komplex auflösen“ tweetete:

Heike Kleffner von @rechte_gewalt und Robert Andreasch von @aida_archiv benennen Ermöglichungsbedingungen von rechter, rassistischer, antisemitischer, antiziganistischer, misogyner und homophober Gewalt: Verharmlosung, #Polizeiproblem, #VSProblem, ideologische Unterstützung durch lokale Dominanzgesellschaft, Kultur der Straflosigkeit, Repression gegen Betroffene und #Antifa.

Neben dem Verhalten der Dominanzgesellschaft zeigt sich in Ganderkesee auch die Kultur der Straflosigkeit für solcherlei Taten. Diese ist auch in dem Kontext zu betrachten, dass nur ein Bruchteil der insgesamt 1.600 rechten Brandanschläge seit 2015/16 aufgeklärt wurden, worauf der VBRG e.V. in einem Tweet vom 20.10.2022  verweist. Weiter heißt es: „Die Mehrheit der Überlebenden ist ohne Unterstützung; die allermeisten Täter*innen bleiben straffrei.“

In Angesicht dieser Umstände überraschen die Meldungen leider nicht, wonach ein Mitarbeiter des Landkreises am 31.12.2022 mehrere Flaschen mit einer brennbaren Flüssigkeit auf dem Gelände einer zukünftigen Geflüchtetenunterkunft in Wildeshausen fand, die von Landkreis und Polizei derzeit als Drohung gewertet werden (Siehe: 31.12.2022: Verhinderung eines Brandanschlages auf eine geplante Geflüchtetenunterkunft in Wildeshausen).

Wir möchten uns den Genoss*innen anschließen, die im Aufruf zur Gedenk-Demo zum Lichtenhagen-Pogrom schrieben:

Von diesem Staat geht kein ernsthafter Kampf gegen rechten Terror aus. Nicht vor 30 Jahren in Lichtenhagen und auch heute nicht. Erst recht nicht, wenn Ermittelnde selbst Waffen horten und Todeslisten anlegen. Nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios hat sich immer wieder gezeigt, dass es unabhängige antifaschistische Recherchen braucht, um effektiv neonazistische Strukturen und Verstrickungen mit staatlichen Behörden aufzudecken. Und auch gegen rassistische Gewalt hilft nicht die Polizei, sondern antifaschistischer und antirassistischer Selbstschutz. Vertrauen wir also nicht auf einen Staat, der weg sieht oder selbst beteiligt ist, wenn Faschisten Gewalttaten begehen. Vertrauen wir auf uns selbst und unseren Mut zur Veränderung. Organisieren wir uns und den antifaschistischen Selbstschutz – kämpfen wir für eine bessere Welt, weisen wir Faschisten und Rassisten konsequent in die Schranken und brechen wir die rechte Kontinuität in diesem Land!

Onlineshop „Trecker Deko“

Über den Ganderkeseer Onlinehandel, der vor allem Material für rechtsnationale „Bauerproteste“ vertreibt, haben wir bereits im Aufruf zur Gedenkdemo im Jahr 2021 bezugnehmend auf eine Broschüre von NIKA-Nordwest geschrieben. Seit dem Sommer 2022 ist damit jedoch Schluss: der Onlineshop nahm zuerst sein ganzes Sortiment aus dem Verkauf, mittlerweile ist die Seite nicht mehr zu erreichen. Das vertriebene Material kam auch z.B. bei rechten Protesten von Fitnessstudiobetreiber*innen, Bauern*Bäuerinnen und Rockern im Frühjahr 2021 zum Einsatz. Neben der im Onlineshop vertriebenen „Gegen Verbote und Beschränkungen“-Flagge fand sich bei den Protesten auch ein Transparent im gleichen Design mit dem Demo-Titel „Gemeinsam Solidarisch“. Es liegt nahe, dass auch dieses Material von dem Druckshop „DRUCKSACHEN“ aus Ganderkesee designt und gedruckt worden ist.

Links: Die „Gegen Verbote und Beschränkungen“-Flagge im Angebot des Onlineshops „Trecker Deko“. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.treckerdeko.de Rechts: Kundgebung am 27.03.2021 in Mahlstedt (Winkelsett; Samtgemeinde Harpstedt), zu sehen die Flagge sowie ein größeres Transparent mit dem Motto „Gemeinsam Solidarisch“ in gleichem Design. Bildquelle: Screenshot Facebook

Verschwörungsideologische-Szene

Auch in der Gemeinde Ganderkesee kam es im Januar 2022 im Zuge der sogenannten „Montagsspaziergänge“ zu Versammlungen der Corona-Rechten, die sich von ihrer Größe her in Grenzen hielten. Ein Grund hierfür könnte jedoch auch die Nähe zum Protest-Knotenpunkt Delmenhorst sein, wo nachweislich einige Ganderkeseer*innen demonstrierten bzw. sich in entsprechenden Telegram-Gruppen aufhielten. (Siehe: Antifaschistischer Monatsbericht Januar 2022 (3): Landkreis Oldenburg)

Als parteipolitischer Akteur dieser Szene fällt Rolf Kometter aus Ganderkesee auf. Kometter kandidierte bei der zurückliegenden Landtagswahl 2022 für die Querdenken-Partei „dieBasis“ als Direktkandidat im Landkreis Ammerland. In der Öffentlichkeit, z.B. bei seiner Vorstellung auf der Seite „abgeordnetenwatch.de“, tritt er hinsichtlich Wortwahl und Themensetzung recht moderat auf. Dafür haben es die Inhalte in sich, die er in geschlossenen Telegram-Gruppen, insbesondere den „Freiheitsboten Ganderkesee“, teilt. Die Quellen sind dabei die üblichen (AUF1, kla.tv, Heiko Schrang, Bodo Schiffmann etc.), hinzu kommen Telegram-Kanäle zu spezifischeren aktuellen Verschwörungserzählungen (Graphene-Agenda rund ums Thema „Transhumanismus“) oder lokalen Verschwörungsideolog*innen wie dem Oldenburger Antisemiten Werner Altnickel oder Matthias Badzun aus Grummersort (Wüsting; Gemeinde Hude). Wie um den Antisemitismus dieser Szene nochmal besonders augenscheinlich vorzuführen, teilte Kometter außerdem einen Post des Nutzers „JewrassicLiars“ (Jew=Juden, Liars=Lügner). Auf inhaltlicher Ebene fallen NS-Relativierungen und noch mehr antisemitisch-konnontierte Verschwörungsmythen, die sich auch in seinen eigenen Äußerungen wiederfinden.

Rolf Kometter relativiert am 22.01.2021 den Nationalsozialismus und insbesondere die Shoa, beteuert aber anschließend, sich noch vorsichtig ausgedrückt zu haben. Screenshot von dem Telegram-Kanal „Freiheitsboten Ganderkesee“

In seiner Rolle als Mitlgied von „dieBasis“ fragte er in der „Freiheitsboten“-Gruppe im Kontext der Bundestagswahl nach Unterstützung für einen Wahlkampfstand und das Aufstellen von Plakaten, bekam jedoch (in der Gruppe) keine Antwort. Vor der Landtagswahl bat er außerdem um die nötigen 100 Unterschriften für die Direktkandidatur des Vorsitzenden des „dieBasis“-Kreisverbands Hunte-Weser-Ammerland, Alexander Goretzki. Persönlich in Erscheinung getreten ist er am 07.02.2022 am Rande einer Demonstration vom Bündnis „Nachdenken statt Querdenken“ in Ganderkesee, welche er anpöbelte. Zudem nahm er an Montagsprotesten der „Freie Oldenburger“ teil.

Rolf mit einem „sehr speziellen“ Mund-Nasen-Schutz auf einer Versammlung der „Freie Oldenburger“ am 28.02.2022 in Oldenburg. Bildquelle: Pixel Matsch

Die erwähnte Freiheitsboten-Gruppe wurde von Bettina Wiegmann gegründet, Admin ist auch Kirsten Ellmers, der besonders durch antisemitische Posts und das Tragen von gelben „Ungeimpft“-Sternen bei Versammlungen von Querdenken (QD) Bremen auffiel. Bei QD Bremen nahm er auch organisatorische Aufgaben wahr. Auch auf Versammlungen von QD Oldenburg war er mehrmals anwesend. Ellmers ist außerdem Ex-Hells-Angels-Rocker und saß im Zuge eines brutalen Überfalls auf verfeindete „Bandidos“ in Untersuchungshaft.

Kirsten Ellmers berichtet am 27.12.2021, über eine sehr kleine Versammlung in Ganderkesee. Sein genauer Bezug zu Ganderkesee ist jedoch noch unklar. Screenshot von dem Telegram-Kanal „Freiheitsboten Ganderkesee“

Reichsbürger“-Szene in Bookhoolzberg

Daneben ist in Bookholzberg (Gemeinde Ganderkesee) die Reichsbürgerin Martina Dyck aktiv, die seit dem 06.07.2021 in mehr oder minder regelmäßigen Abständen Kundgebungen abhält. Eine Mobilisationskraft entfaltet sie dabei nicht, es nahmen meistens 3-4 Personen teil, die dafür größtenteils extra anreisten. Ein ähnlicher Personenkreis ist auch regelmäßig bei den Kundgebungen des bekannten Reichsbürgers Rüdiger Hoffmann in Berlin zu sehen, dessen Projekt staatenlos.info sie offensichtlich nahe stehen.

Reichsbürger Christoph hält am 08.03.2022 auf dem Kirchplatz in Bookholzberg eine Rede. Bildquelle: Screenshot von dem Odysee-Kanal „Freiheitskämpferin“

Es würden den Rahmen sprengen, hier nun alle rechten Ideologiefragmente, die auf den Kundgebungen und auf diversen Social-Media-Accounts aus dieser Blase kundgetan werden, zu analysieren. Es sei daher an dieser Stelle vor allem darauf verwiesen, dass die Inhalte dieser Kundgebung, bei aller Kuriosität und unfreiwilliger Komik, zutiefst antisemitisch sind. Als Belege lassen sich das ständiger Gerede von der Neuen Weltordnung (NWO), die Erzählung von der Verschwörung der geheimen Elite („Freimaurer“, „Rothschild“) gegen das Volk oder die Relativierung des NS durch die Behauptung, er werde durch die BRD fortgeführt, anführen.

Im Video von Martina wird nach dem Polizeieinsatz am 06.09.2022 in einer Grafik u.a. „Angloamerikanischen „Besatzer – Geheimdienste“ von Herrn ROTHSCHILD“ geschrieben. Bildquelle: Screenshot von dem Odysee-Kanal „Freiheitskämpferin“

Nachdem Martinas Kundgebung in Bookholzberg am 06.09. wegen Verstößen gegen Auflagen und Straftatbeständen (vmtl. „Billigung eines Angriffskriegs“) durch die Polizei aufgelöst worden war, konfiszierte diese zwar diverse Flaggen, jedoch nicht das obligatorische kleine „Nürnberg 2.0“-Transparent (Anspielung auf die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse), bei welchem eine (strafrechtlich relevante) Relativierung der Shoa bzw. die Verhöhnung ihrer Opfer doch mindestens zu prüfen wäre.

Martina präsentiert am 06.09.2022 das kleine „Nürnberg 2.0“-Transparent. Bildquelle: Pixel Matsch

Teil der Gruppe, welche die letztlich aufgelöste Versammlung durchgeführt hatten, war vermutlich der Reichsbürger Christoph aus dem Emsland, der den Kanal „Weltfrieden vom Altkreis Meppen ausgehend….“ auf Telegram betreibt und sich dort „christophs satire“ nennt. Die Gruppe, der weitere Personen zugeordnet werden können, nimmt weiterhin an Rüdiger Hoffmans Versammlungen in Berlin, auch organisatorisch, teil.

Rüdiger interviewt Christoph am 11.09.2022 in Berlin zum erwähnten Polizeieinsatz. Bildquelle: Screenshot von dem Odysee-Kanal „Freiheitskämpferin“

Hoffmann selbst weist eine lange extrem Rechte Karriere auf. Er war NPD-Kreisvorsitzender, wurde in den 1990er Jahren wegen der Planung und Anstiftung eines Anschlags auf ein Asylbewerberheim verurteilt und widmete sich in der Folgezeit dem souveränistischen Projekt staatenlos.info. Außerdem ist er Verantwortlich für einen deutschen Ableger der russisch-ultranationalistischen Organisation „Nationale Befreiungsbewegung“ (NOD), welche von einem Abgeordneten der russischen Regierungspartei „Einiges Russland“ geleitet wird und mutmaßlich mit russischer Polizei und Inlandsgeheimdienst kooperiert. Die NOD hat Ableger in mehreren Ländern. In Russland hat die Bewegung nach eigenen Angaben 170.000 Mitglieder, zu deutschen Reichsbürgern bestehen ideologische Schnittmengen in der Vorstellung der fehlenden Souveränität des eigenen Landes und einer (jüdischen) Weltverschwörung. Das Sankt-Georgs-Band, welches die Bewegung vereinnahmt hat, ist auch auf Martinas Kundgebungen regelmäßig zu sehen.

Website des deutschen Ablegers der NOD. Rüdiger Hoffmann tritt als Verantwortlicher im Impressum auf, als ladungsfähige Anschrift wird jene des szenebekannten Berliner Neonazis-Aktivisten und Anwalts Wolfram Nahrath angegeben. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.nod-deutschland.de

Nicht unerwähnt bleiben soll zu guter Letzt die Rolle Hoffmans im „Sturm auf den Reichstag“ am 29.08.2020 in Berlin. Die Kundgebung, von welcher der Sturm der Reichstagstreppen ausging, wurde von Hoffmann angemeldet, Martina Dyck ist als treue Anhängerin selbstverständlich anwesend gewesen und letztlich auch auf der Treppe des Reichstags zu sehen. Von 2013-2018 organisierte Hoffmann bereits mehrere als „Sturm auf den Reichstag“ betitelte Kundgebungen, wobei 2014 Xavier Naidoo eine Rede vor den gut 200 Teilnehmenden der Kundgebung hielt.

Martina Dyck (eingekreist) auf den Reichstagstreppen am 29.08.2020 in Berlin. Bildquelle: RechercheNetzwerk Berlin

Bemerkenswert ist außerdem, dass der kürzlich im Zuge der Razzien gegen das Netzwerk „Patriotische Union“ (PU) festgenommene ehemalige KSK-Soldat Maximilian Eder noch am 23.07.2022 als Hauptredner auf einer Kundgebung Hoffmans vor dem Reichstag auftrat.

Regionale Aktivitäten der Burschenschaften

Das Phänomen der Burschenschaften wird den meisten wohl antiquiert und marginal erscheinen, weshalb wohl die wenigsten über die Umtriebe dieser Organisationen in ihrer Region unterrichtet sein dürften. In Oldenburg existiert mit der „Vereinigung Alter Burschenschafter“ (VAB) eine weit rechts stehende Organisation, die ihre Veranstaltungen auch im Landkreis Oldenburg abhält, beispielsweise im „Hotel Wöbken“ (Hundsmühlen; Gemeinde Wardenburg) oder im Gasthof „Menkens“ (Hoyenkamp; Gemeinde Ganderkesee).

Jahresprogramm der VAB Oldenburg. Zum Grünkohlessen im „Gasthof Menkens“ wurde sich auf einem Parkplatz in Hedenkamp (Bookholzberg; Gemeinde Ganderkesee) getroffen. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.vab-oldenburg.de

In einer „Vereinigung Alter Burschenschafter“ schließen sich Burschenschafter zusammen, deren Burschenschaft an ihrem Wohnort nicht aktiv ist. Die Mitglieder können also sowohl nationalliberalen als auch extrem Rechten Burschenschaften angehören. Ein Anhaltspunkt für eine extrem rechte Ausrichtung einer Burschenschaft ist die Teilnahme am Burschentag in Eisenach, der von der bundesweiten Vereinigung „Deutsche Burschenschaft“ (DB) ausgerichtete wird. Auch wenn man das Konstrukt Burschenschaft natürlich auch ganz grundlegend kritisieren kann (und muss) fällt die DB besonders negativ auf, was in den Jahren 2008ff zu einer Austrittswelle der liberaleren Burschenschaften führte. Einige der Mitgliedsburschenschaften des DB werden sogar vom Verfassungsschutz überwacht.

Das Rechercheprojekt „lebensbund.org“ schrieb im Antifaschsitischen Infoblatt Nr. 137 in ihrem Artikel „Das Lebensbundprinzip als Rückgrat von Burschenschaften“:

[Die Ideologie der DB] ist in Bezug auf Antikommunismus, Kolonialismus, Faschismus, Rassismus – Stichwort: Arierparagraph -, Antisemitismus und Sexismus eine extrem Rechte und menschenfeindliche. Sie ist Kaderschmiede für ihr eigenes Milieu und formt junge Männer zu autoritären Persönlichkeiten.

Der VAB Oldenburg nimmt an jenem Burschentag teil, was auch aus dem Jahresplan 2022 der VAB Oldenburg hervorgeht, in welchem explizit der Burschentag in Eisenach vom 09.-11.06. vermerkt ist. Aus dem Programmverlauf des Burschentags geht beispielsweise hervor, dass die diesjährige Festrede vom Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich („Das freundliche Gesicht des NS“) gehalten wurde, welcher für die AfD in den Bundestag gewählt wurde, dann aber aufgrund einer Chat-Affäre freiwillig auf eine Aufnahme in die Bundestagsfraktion verzichtete und seitdem fraktionsloser Abgeordneter mit AfD-Parteimitgliedschaft ist. Außerdem stand das gemeinsame Singen des „Lied der Deutschen“ mit allen drei Strophen auf dem Programm. Unter den Teilnehmenden waren diverse Personen der extremen Rechten.

Unter der Leitung des VAB Oldenburg fand am 01.04. das sogenannte „Bismarckkommers“ mit dem Thema „Bismarck und der Osten“ im „Hotel Wöbken“ in Oldenburg statt. Der geladene Referent zu diesem Thema war der Geschäftsführer des neurechten „Institut für Staatspolitik“ (IfS) Erik Lehnert. Lehnert durchlief die typische Karriere eines neurechten Intellektuellen und landete über die Beschäftigung mit Ernst Jünger und der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ beim Verlag „Edition Antaios“ und der Zeitschrift „Sezession“. Seit 2021 arbeitet er außerdem als Referent für die Landtagsfraktion des AfD Brandenburg.

Ankündigung des Festredners Erik Lehnert beim 74. Festkommers am 01.04.2022 der VAB Oldenburg. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.vab-oldenburg.de

Mit Blick auf die Mitlgieder der VAB Oldenburg fällt der Name des Schriftwarts Thomas Hoyer auf. Dieser hat über den sog. „Oldenburger Kreis“ Kontakte zu Imke Barnstedt und anderen Neonazis. Kontakte zu Imke Barnstedt bestehen auch bei anderen Mitgliedern, beispielsweise lud der damals geschäftsführende Vorstand der VAB, Volker-F. Felmy, am 13.10.2016 zu einem Vortragsabend mit Barnstedt ein. Ebenfalls 2016 trat Hoyer für die AfD als Kandidat bei den Kommunalwahlen an, außerdem unterzeichnete er eine Petition für die Freilasung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. In jüngster Zeit nahm er an Veranstaltungen der „Freie Oldenburger“ teil. Thomas ist Mitglieder der Burschenschaft Arkadia-Mittweida, die Teil des DB ist und seit längerer Zeit durch extrem Rechte Aktivitäten auffällt.

Imke Barnstedt (links) steht am 05.02.2022 neben Thomas Hoyer bei einer Demonstration der „Freie Oldenburger“. Bildquelle: Pixel Matsch

Neben den hier Erwähnten führt das Rechercheprojekt „lebensbund.org“ über die extrem Rechte „Marburger Burschenschaft Germania“ außerdem fünf Mitglieder auf, die hier in der Region leben: Willi Hornfeld in Wildeshausen sowie Werner Möhn, Fritz Frerking, Werner Hanisch und Michael Marek in Oldenburg. Ob diese gemäß dem burschenschaftsübergreifenden Prinzip der Vereinigung Alter Herren bei der VAB Oldenburg aktiv sind (bzw. ob es sich überhaupt schon um „Alte Herren“ handelt), ist nicht bekannt.

 

Edit: Kleinere Fehlerkorrekturen.